"Kinder sollen das Leben ernst nehmen, sagt man.
Dabei sollte gerade das Spielen ernst genommen werden."
(Arno Stern)
In jedem Menschen ist eine universale Formensprache verankert, die Arno Stern "Formulation" nennt.
Diese erforschte und entschlüsselte er über Jahrzehnte anhand der unzähligen Bilder, die in seinem Malort und auf zahlreichen Reisen entstanden. Arno Stern spricht von drei Perioden der Formulation: Den Erstfiguren, den Bilddingen und den Hauptfiguren.
In der vor äußeren Einflüssen geschützten Umgebung des Malorts können sich diese Formen frei entfalten und finden sich auf vielen Bildern wieder.
Sobald die Motorik von Kindern erste Spuren ermöglicht, beginnt die Formulation. Es entstehen "Giruli" und "Punktili", aus denen sich im Lauf der Zeit schrittweise die Erstfiguren, wie z.B. Vierecke, Kreise und Dreiecke herausbilden. Arno Stern sammelte insgesamt siebzig dieser Erstfiguren, deren Malen ein inneres Bedürfnis darstellt und eine große Befriedigung darstellt.
Diese Formen werden von Kindern mit Dingen verknüpft, die sie bereits gesehen oder erlebt haben. So ergibt ein Viereck mit einem Dreieck darüber vielleicht ein Haus, ein Kreis mit einem Strich darunter ergibt einen Baum... diese bezeichnet Arno Stern dann als "Bilddinge". In diesen bleiben die Grundformen der Erstfiguren als sogenannte Trazate bestehen, die zu keinem Zeitpunkt der Entwicklung verloren gehen.
Diese Entwicklung verläuft bei jedem Kind in seinem ganz eigenen Tempo und zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Daher nehmen wir keinen Einfluss auf den Malprozess und drängen den Teilnehmenden - egal welchen Alters - nicht unsere "Sicht der Dinge" auf. Denn dies würde die Entwicklung keineswegs beschleunigen, sondern behindern.
Wenn Kinder zu Jugendlichen heranwachsen, fällt es ihnen häufig schwer, beim Malen Verstand und Vernunft auszuschalten und Erlerntes aus dem schulischen Kunstunterricht abzustreifen. Nachdem diese Hürde im Malspiel gelungen ist, kann das spontane Malen wieder in den Vordergrund
treten und es beginnt die nächste Phase der Formulation - die Hauptfiguren entstehen. Meist sind diese nicht gegenständlich, sie spielen mit den Grundformen der Erstfiguren.
Häufig entstehen Bilder mit einem ganz eigenen Rhythmus, mit sich wiederholenden Formen, Schwüngen und Bewegungen.
Ein Spiel, das malende Erwachsene mit gleicher Freude erleben wie Kinder oder Jugendliche.